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Jessica D.S. Seemeyer

21. Oktober 2021

Rezension zu Johanna Haberers "Die Seele: Versuch einer Reanimation"

Dr. Jessica D.S. Seemeyer verfasste eine Rezension zu Johanna Haberers Werk "Die Seele: Versuch einer Reanimation". 



Rezension

Die Seele: Versuch einer Reanimation

Johanna Haberers kurzweiliges Buch "Die Seele: Versuch einer Reanimation" ist ein schnell zu lesendes kleines Buch, welches sich mit den verschiedenen Perspektiven zur Definition der Seele auseinandersetzt. Die Autorin stellt fest, dass der Ursprung des heute naturwissenschaftlichen Denkens zu einer „seelenlosen inneren Verarmung der Gesellschaft führt“, daher plädiert sie für das Verstehen der Seele in einem weiteren Umfang. 

In ihrem Buch lässt sie verschiedene Perspektiven fast schon in einem Rundumschlag zu Wort kommen: Religion, Atheismus, Naturwissenschaften inklusive Mathematik, Philosophie, Dichter und Denker, aber auch Architektur: Letztlich geht es immer um die Vergänglichkeit des Menschen und die Definition der Seele, die diese Vergänglichkeit zum Ausdruck bringt. 

Haberer erklärt, dass es bei der Seele um das Wesentliche geht, um das, was nicht sichtbar aber doch für die meisten spürbar ist. Immer wieder zitiert sie gut ausgewählte Zitate bedeutender Denker als Auflockerung und Konkretisierung. Sie schlägt den Bogen über den Algorithmus hin zur Digitalisierung und fragt nach der Veränderung der Seele der Gesellschaften im Sinne des Dataismus. Warnungen zeitgenössischer aktueller Literatur, wie etwa Yuval Noah Hararis "21 Lektionen für das 21. Jahrhundert", führt sie an. Selbst filmschaffende Produzenten und Regisseure und deren Perspektive zur Seele werden miteinbezogen, so zum Beispiel der Film "Soul". 

Die Autorin leitet schließlich über zur Idee der Seele, die den Menschen mit dem Tier und auch den Menschen mit der Natur verbindet. Sie bedient sich hierfür verschiedenster Ansätze, die von Wissenschaft, kreativ schaffenden Dichtern und Schriftstellern, Theologen und Philosophen kommen, und bindet all diese Perspektiven mit in ihre Gedanken ein. Immer wieder bringt die Theologin Bibelzitate, vor allem, weil sie der Meinung ist, dass das Leben tiefer betrachtet werden solle, als es beispielsweise in den naturwissenschaftlichen Denkansätzen üblich sei, so dass bei einer tieferen Betrachtung des Lebens auch die Verbundenheit der Seele mit Gott und mit der Welt betrachtet werden müsse. 

Über die christliche Perspektive und die Bibelzitate schlägt Johanna Haberer den Bogen hin zur Musik, beispielsweise zu christlichen Chorälen und Liturgie, stellt Bezüge zu den Liedtexten Paul Gerhardts her und lässt auch die zentralen Bachkantaten mit einfließen, genauso namhafte Theologen wie Rahner oder Jung. 

Ihr Fazit schließt sie mit ihrer ganz persönlichen Interpretation des Begriffs der „Seele“: ein Phänomen, welches für die Liebe Gottes zum Menschen steht und somit als Symbol für die allumfassende Welt verstanden werden kann. 

Dr. Jessica D.S. Seemeyer
Kommunikation für Werte & Gesellschaft

von Jessica D.S. Seemeyer 23 Juni, 2022
Die evangelische Immanuelkirche in Königstein im Taunus bekommt in diesen Tagen ein neues Rosettenfenster eingebaut... - konzipiert und gestaltet von dem Künstler Bernhard Adams, der an der Kunstakademie in Düsseldorf als Meisterschüler von Katharina Grosse abgeschlossen hat. Als weltweit erstes Kirchenfenster werden drei Ansichten von Adams über Blockchains gesichert als NFTs (Non Fungible Token) über Kryptowährungen versteigert werden. Dr. Jessica Knall Seemeyer sprach mit dem Künstler Bernhard Adams und der Kunsthistorikerin und Kunstmarktexpertin Dr. Ruth Polleit Riechert. Knall Seemeyer: Herr Adams, weswegen wollte die Immanuelkirche ein neues Fenster einbauen lassen? Adams: Die Gründe dafür waren relativ unspektakulär. Es war der Gemeinde schon lange ein Anliegen, das Fenster zu erneuern, weil das alte Fenster relativ schmucklos war. Dazu kam eine Abfolge von Ereignissen: Wegen einer Orgel vor dem Fenster konnte man das vorherige Fenster vom Innenraum gar nicht sehen. Der Impuls, tätig zu werden, kam schließlich von Gerald Faßbender, Finanzvorstand der Kirchengemeinde, der schon vorher durch Projekte mit Ruth Polleit Riechert auf meine Arbeit aufmerksam geworden war und meine Werke für sich und seine Familie entdeckt hatte. Er fotografierte das Kirchenfenster im damaligen Zustand – proaktiv –, schnitt es aus, ging zur Gemeinde und der Pfarrerin, Katharina Stoodt-Neuschäfer, und hielt ein Bild von mir hinter das ausgeschnittene Foto mit den Worten: „Das wäre doch was, wollen wir den Künstler nicht einmal einladen?“ Knall Seemeyer: Ich zitiere Sie einmal, Sie sagten: „Vor der jetzigen Rautenverglasung war das Motiv ein Weltgericht mit einem mahnenden Christus. Der Ansatz des neuen Fensters ist das genaue Gegenteil. Es zeigt den Anfang, Genesis statt Apokalypse.“ War das Ihr Leitgedanke beim Schaffensprozess? Adams: Absolut. Zur Korrektur muss ich sagen, dass es zwei Fenster gewesen waren. Erst der mahnende Jesus in einer Pose, als wenn dieser über dem Hauptportal den Kirchenmitgliedern mit erhobener Hand mahnend sagte: „Wir sehen uns nächste Woche!“ Danach kam die Rautenverglasung, weil das alte beschädigte Fenster ausgetauscht wurde. Natürlich hat dies den Schaffensprozess sehr beeinflusst, denn mir war klar, dass ich so eine Geste nicht für meinen Entwurf wählen würde. Ich wollte ein Bild schaffen, das vom Anfang erzählt. Ein positives Bild, in dem die Schöpfung in den Vordergrund getragen wird, in der man das Positive in die Welt bringt anstatt zu mahnen und zu sagen „du darfst nicht“ oder „du sollst“. Ich wollte etwas schaffen, bei dem alle Menschen andocken können. Knall Seemeyer: Gab es bestimmte andere Künstler, andere Kirchenfenster, persönliche Erlebnisse in Ihrem Leben oder Momente, die Sie besonders inspiriert haben? Adams: Ja, da kam vieles zusammen. Als klar war, dass ich für dieses Fenster mir einen Entwurf überlegen musste, machte ich einen Roadtrip durch Europa, bei dem ich mir viele Kirchen anschaute: die von Matisse gestaltete Rosenkranzkapelle in Vence, den Mailänder Dom, in Reims die Glasfenster von Imi Knoebel und Marc Chagall. Ich habe mir die Alhambra in Granada angeschaut, in der man noch nicht vom Fenster, sondern vom „schön gestalteten Loch in der Wand“ sprechen muss, wo die Fenstergestaltung ihren Anfang genommen hatte. Weil ich mit Glas noch nie gearbeitet hatte, musste ich den Werkstoff Glas verstehen. Mit großer Expertise stand mir dabei die Firma Derix zur Seite. Wir haben gemeinsam viele Sachen betrachtet, die ich mir wiederum an den Kirchenfenstern vor Ort genau anschauen konnte. Ganz viel Inspiration kommt natürlich auch aus meinem Atelier. Mir war bei der Gestaltung des Kirchenfensters wichtig, dass es authentisch von mir kommt. Also identifizierte ich für den Entwurf die Schnittstelle zwischen dem sakralen Kontext und meiner eigenen Atelierpraxis. Das sind nur einige Beispiele der Einflüsse … Knall Seemeyer: Was für eine Technik haben Sie schließlich bei diesem Glasfenster angewendet? Adams: Bei der Fertigung ist ein besonderes Verfahren zum Einsatz gekommen. Gegenüber einer klassischen Bleiverglasung, bei der einzelne Fenstersegmente mit Bleiruten aneinander gefasst sind, haben wir es hier mit einem Fenster zu tun, bei dem die Glasstücke auf einer Trägerscheibe montiert sind. Das hat mir als Künstler erlaubt, mit ganz feinen Kontrasten und einer natürlichen Bildtiefe zu arbeiten, die ich normalerweise nicht habe, wenn alle Flächen in meinem Bild von einem harten Schwarz unterbrochen sind. Diese feine Tiefenwirkung, die ich sonst nur auf einer Leinwand habe, konnte nur durch die Technik mit Trägerscheibenmontierung erzielt werden. Knall Seemeyer: Können Sie den Leserinnen und Lesern das Motiv des Fensters erläutern? Adams: Das Motiv ist ein Stern, der sich von einem Zentrum aus nach außen hin mit seinen Strahlen ausbreitet. Das Zentrum ist sehr fein segmentiert, nach außen hin wird es dann grober, es breitet sich in immer breiter werdenden Streifen aus. Indem ich eine einfachere Sternenform genommen habe, diese rotieren ließ, so dass sie sich immer wieder mit sich selber schnitt, also überblendete, entstand das hier zu sehende Motiv. Wie genau der Prozess ablief, kann man auch in einem der drei NFTs sehen, die wir zu diesem Kirchenfenster versteigern: Indem sich der Stern bewegt, formt sich die komplexere Figur, das Endmotiv: Dieses NFT liefert somit eine Zusatzinformation zum Entstehungsprozess. Knall Seemeyer: Von der Farbwahl her, das konnte ich schon sehen, haben Sie mehrere Farben benutzt. Im Zentrum steht das Gelb, außen aber auch Blau und Rot. Was war Ihre Intention, diese Farben zu wählen? Adams: Es sind alles Farben, die natürlicherweise als Licht vorkommen, was man auch häufig bei Sternen sehen kann, wenn man in den Himmel schaut: Da gibt es rote, da gibt es blaue Sterne, weiße, gelbe … Das Fenster mit der Rautenverglasung hatte zuvor ein fahles grünes Licht in den Kirchenraum geworfen. Das heißt, wenn die Pfarrerin sonntags am Altar stand und predigte, hatte sie eine fahle Blässe im Gesicht. Es brachte eine unvorteilhafte Atmosphäre in den Kirchenraum. Darum war es für mich ein wichtiger Aspekt, Grün nicht im Entwurf dominant werden zu lassen. Ich möchte ein warmes Licht in den Kirchenraum bringen. Knall Seemeyer: Frau Dr. Polleit Riechert, Sie sind Kunsthistorikerin und Kunstmarktexpertin, gerade für zeitgenössische Kunst. Mit Herrn Adams haben Sie bereits in Königstein einige Projekte zusammen gemacht. Dieses Fenster wird nun weltweit als erstes Kirchenfenster überhaupt im Kryptowährungs-Kunsthandel als NFT gehandelt werden. Was war Ihre Grundidee, warum gerade dieses Kirchenfenster mit NFT vermarkten? Polleit Riechert: Wir möchten innovativ das Alte mit dem Neuen verbinden. Auf der einen Seite haben wir alte traditionelle Glaskunst, versehen mit einem Entwurf eines jungen Künstlers, was an sich schon ein absolutes Novum ist. Normalerweise sind Künstler, die Kirchenfenster konzipieren, eher über 70 Jahre und älter. Bernhard Adams dagegen ist Jahrgang 1990. Wirklich sehr, sehr jung noch, um ein Kirchenfenster zu entwerfen. Obendrauf nehmen wir das Thema, welches die Generation von Bernhard Adams beschäftigt: die digitale Kunst. Da bietet es sich an, diesen Entwurf in ein NFT zu verwandeln. Klassisches Kunsthandwerk und Kirchenkunst wird somit nicht nur interessant für die älteren Generationen, sondern auch die jungen. Damit kann auch Pfarrerin Katharina Stoodt-Neuschäfer sehr viel anfangen, weil sie gerne in ihrer Kirche die verschiedenen Generationen miteinander verbindet. Knall Seemeyer: Wie ist das Prinzip des NFT-Erwerbs zu verstehen? Polleit Riechert: Nun, Bernhard Adams ist als Künstler sehr vielseitig; er hat nicht nur digitale Entwürfe gemacht, sondern sein Werk umfasst klassische Malerei auf Leinwänden, in der wir auch Farbüberlagerungen sehen können. Dies passiert im digitalen Entwurf durch die Mechanik – sehr schön zu sehen in den Glasformationen. Doch den digitalen Entwurf konnte man normalerweise nicht am Markt anbieten, weil Dateien kopierfähig sind. Somit konnten Künstler digitale Entwürfe auch nicht verkaufen – die Datei musste bei ihnen verbleiben. Indem wir nun von dem digitalen Entwurf drei Ansichten als fälschungssichere NFTs generieren, können wir diese zur Versteigerung anbieten. Das heißt, Interessenten können an diesem Glaskunstwerk durch den Erwerb teilhaben. Das ist etwas vollkommen Neues. Sonst hätte man nur in der Kirche das Kunstwerk gesehen. Wir haben für die NFTs die Anzahl drei gewählt, um Bezug zur Dreieinigkeit als kirchliches Thema herzustellen. Angeboten werden drei verschiedene Ansichten, jeweils als Unikat. Knall Seemeyer: Es macht also für digitale Entwürfe einen besonderen Sinn, diese über NFT zu versteigern. Während der digitale Verkauf von Fotos von Gemälden oder Kirchenstatuen auf so einer Plattform weniger Sinn macht …? Sehen Sie die NFT-Kunstvermarktung vor allem für zeitgenössische Kunst als geeignet an? Polleit Riechert: Digitale Dateien sind kopierfähig und somit nicht handelbar. Das war das Problem der digitalen Künstler, die ihre Werke nicht einem breiten Publikum verkaufen konnten. Die NFT-Technologie ist ein kunsthistorischer Meilenstein für digitale Kunst. Aber nicht nur digitale Kunst, sondern auch analoge Kunst profitiert von der NFT-Technik. So können Gemälde mit einer digitalen Zertifizierung auf der Blockchain fälschungssicher abgelegt und hochpreisige Meisterwerke fraktionalisiert werden. Digitale Kunst als auch bislang unerschwingliche Blue Chip-Kunst wird damit investierbar für jedes Budget. Die NFT-Technik fungiert in den meisten Fällen als neues Tool für Künstler und als Verbriefung für Käufer. Die Möglichkeiten sind endlos. Knall Seemeyer: Nun ist ja der enorme CO2-Bedarf Gegenstand der Kritik am Kryptowährungshandel. Es gibt inzwischen auch energiesparende Kryptowährungen. Stehen NFT-Plattformen mit energiesparenden Kryptowährungen bereits für den Kunsthandel bereit? Und wenn ja, schauen Sie danach? Polleit Riechert: Sie sprechen ein sehr spannendes Thema an, das ich gern in einen globalen Kontext stellen möchte: Weltweit werden regelmäßig physische Kunstwerke von Ausstellung zu Ausstellung und zu internationalen Messen transportiert. Gerade aktuell treffen auch wieder viele vermögende Sammler und Celebrities mit Privatjets auf der Art Basel ein. Wichtig wäre zu wissen, wie hoch der CO2-Verbrauch hier im Vergleich ist. Interessant ist, dass im innovativen Kunst-NFT- Markt das Problem erkannt wurde und sogleich an neuen Lösungen, also energiesparenden Marketplaces, gearbeitet wird, während sich im traditionellen Kunstmarkt nur wenig ändert. Fest steht, dass Künstler in jedem Fall bereits Produktionskosten einsparen, wenn sie ihre digitalen Kunstwerke auf den Plattformen zum Verkauf anbieten können. Die Zukunft wird hoffentlich sein, dass sich beide Modelle - sowohl der digitalen als auch der analogen Betrachtung und des Verkaufs - verantwortungsbewusst und sinnvoll ergänzen. Knall Seemeyer: Nun gibt es von staatlicher Seite Überlegungen, den Kryptowährungshandel mehr zu reglementieren, diesem einen Ordnungsrahmen zu setzen. Inwiefern wird dies auch den Kunstmarkt betreffen? Polleit Riechert: Der neue NFT-Markt ist gerade erst einmal ein Jahr alt. Im vergangenen Jahr wurde durch den Auktionsrekord des Kunstwerks von Beeple eine Art NFT-Tsunami ausgelöst. Vorher gab es schon den Markt, aber er wurde noch nicht von der breiten Bevölkerung wahrgenommen, war noch nicht massentauglich. Daher gibt es jetzt noch viele Graubereiche, die aber erkannt wurden, wie beispielsweise Fälschungen und Geldwäsche. Ich bin ganz optimistisch, dass man für alles Lösungen finden wird. Im klassischen Kunstmarkt gibt es diese Probleme schon immer. Wir müssen davon ausgehen, dass mindestens 30 Prozent aller physischen Werke an Museen und in Sammlungen Fälschungen sind. Die neuen Technologien bieten über die Absicherung von analoger und digitaler Kunst auf der Blockchain eine Möglichkeit, das Problem der Fälschungen zu lösen. Ich glaube, dass die Regulierung des neuen Kunstmarkts auf den Online-Plattformen sehr viel schneller stattfinden kann als im klassischen Kunstmarkt. Die Marketplaces sind durch die neuen Technologien sehr transparent aufgestellt. Das wird das Vertrauen der Käufer bestärken. Adams: Vielleicht noch ein wichtiger Aspekt aus der „Kryptoperspektive“: Diese von mir angebotenen NFTs sind auch deswegen interessant, weil es zu den NFTs einen realen Gegenwert gibt, der nicht verschwindet, eben das Kirchenfenster. Das gibt den NFTs einen Bestand, der sich an einem existierenden Werk und auch dessen Wert orientiert, also trendunabhängig sind. Das im Gegensatz zu der rein digitalen Kunst. Bei anderen NFTs ist das ... ich will nicht sagen eine „bubble“, aber der Wert ist aus der Luft gegriffen. Polleit Riechert: …und der Vorteil, dass digitale Kunstwerke oder Entwürfe sonst nicht öffentlich zugänglich waren. Künstler haben sie meist nur an Museen oder professionelle Sammler abgegeben, damit sichergestellt wurde, dass sie sicher gelagert werden. Aber sie waren im Grunde nicht handelbar und nicht fälschungssicher. Deswegen landeten sie eher im Safe, in der Schublade, im Archiv und die Öffentlichkeit konnte nicht teilhaben. Knall Seemeyer: Herr Adams, Sie schlagen hier einen Bogen von der bisherigen zur zukünftigen Vermarktungsstrategie. Auf das Werk zurückkommend: ein zeitgenössisches Werk in einer durch und durch historischen Kirche … Nimmt das Fenster Bezug zu den historischen Elementen der Kirche auf, vielleicht auch zu historischen Begebenheiten? Adams: Ich hatte mir im Voraus alles ganz genau angeschaut. Aus meinem Training als Maler an der Kunstakademie und besonders bei Katharina Grosse bin ich es gewohnt, im architektonischen Kontext zu arbeiten. Ich weiß, dass mein Bild immer eine Beziehung zum Raum eingeht, auch wenn ich wegschaue passiert das trotzdem. Bilder verändern den Raum und der Raum nimmt Einfluss auf das Bild. Genauso wie bei meinen Leinwandarbeiten habe ich das beim Kirchenfenster beachtet. Tatsächlich wurden von mir noch weitere Aspekte mitgedacht, Aspekte technischer Art zum Beispiel. Eben angesprochen war, dass das Licht, welches vom Fenster in den Kirchenraum strahlt, ganz wichtig ist: Wie das Licht sich im Kirchenraum verteilt, welche Lichtstimmungen es gibt. Diese Kirche ist gegenüber einer normalen Kirche nicht Richtung Osten ausgerichtet, sondern Richtung Westen. Das heißt, wenn hier am Sonntagvormittag ein Gottesdienst ist, ist das Fenster hell erleuchtet, die Sonne steht dahinter. Das waren alles Besonderheiten, die ich mitgedacht habe. Auch von der Gemeinde her war es so gewollt, dass man einen mutigen Schritt nach vorne gehen wollte: „Wir holen uns etwas Zeitgenössisches in den Kirchenraum.“ Diese Kirche ist in sehr vielen Aspekten historisch. Das Kirchenfenster ist somit auf jeden Fall ein Schritt nach vorne. Bezüglich der dargestellten Form habe ich nicht auf die vorhandene Kunst im Innern Bezug genommen, aber Natur des Raumes bedacht. Und ich habe den Dialog mit der Gemeinde gesucht. Mir war der Bezug zur Gemeinde wichtiger als der Bezug zu der architektonischen Beschaffenheit der Säulen oder Ähnliches. Polleit Riechert: Als ich damals Bernhard Adams in der Kunstakademie in Düsseldorf entdeckte, war das Erste, was ich von ihm sah, eine riesige bemalte Wand. Seitdem ist mir klar, dass Bernhard Adams mit Räumen umgehen kann, in sehr großem Format, wie es ja auch Katharina Grosse macht. Das ist natürlich eine Voraussetzung für jemanden, der so ein Kunstwerk umsetzt. Knall Seemeyer: Es gibt ja auch dieses, wie ich finde, sehr schöne und große Werk „Kristall“ von Ihnen, das Außenfenster bei der jüdischen Gemeinde in Frankfurt. Sind Sie eine Art Brückenbauer zwischen den Religionen? Das ist mir spontan im Zusammenhang mit dem “Kristall“ in den Sinn gekommen als ich zudem las, wie Sie sich zum Stern als ihr Leitmotiv äußerten … Verstehen Sie sich als solch interreligiöser Brückenbauer oder was bedeutet der Stern für Sie? Adams: Das wäre auf keinen Fall etwas, was ich verneine. Ich finde es jedoch schwierig, zu sagen, das ist mein Auftrag. Das glaube ich nicht. Sondern ich muss ehrlich sagen, es sind Gelegenheiten, die sich mir aufgetan haben und die ich wahrgenommen habe. Ich weiß aber, dass religiöse Kontexte sehr bedeutungstragend sind. Dementsprechend bin ich dieser Gelegenheit mit großem Respekt begegnet, denn ich weiß, dass die Fassade der jüdischen Gemeinde in Frankfurt sich entscheidend durch mein Werk verändert hat. Mir ist klar, dass damit eine gewisse Verantwortung einhergeht und habe dies dementsprechend geachtet. Obwohl “Kristall” ambivalent in der Bedeutung ist, bin ich grundsätzlich in meiner Kunst darauf bedacht, positiv zu wirken, zeige gerne eine positive Kraft. In meiner Arbeit hebe ich nicht den Zeigefinger, ich mahne nicht. Auch möchte ich es nicht verurteilen, wenn andere Künstler mahnen, genieße es sogar, die Werke mir anzuschauen, aber es ist nicht meine Art. Mein Ansatz macht jedoch mein Werk erstaunlich kompatibel zum religiösen Kontext. Vielleicht hat es deshalb auch diese Gelegenheiten gegeben. In meiner Malerei untersuche ich den Sternenhimmel als ein Motiv, welches so etwas wie „die erste Leinwand“ war. Wie auch immer Malerei begonnen hat, ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass unsere Vorfahren in den Sternenhimmel geschaut haben und ihre Vorstellungen hineinprojiziert haben. Das ist die Art von profunder Untersuchung, die auch im religiösen Kontext wichtig ist. Vielleicht passt es deshalb so. Knall Seemeyer: In der jüdischen Gemeinde Frankfurt heißt ihr Werk „Kristall“, haben Sie für ihr Werk in Königstein schon einen Namen? Adams: Tatsächlich nicht. Der Titel ist ja immer so eine Sache. Es kreist um etwas, aber ist noch nicht endgültig gefunden. Knall Seemeyer: Dann werden wir es gespannt weiterverfolgen. Am 24. Juni 2022 findet die Einweihung dieses Kirchenfensters hier in Königstein im Taunus an der Immanuelkirche statt. Wie kann man sich das vorstellen? Polleit Riechert: Die Kirchengemeinde ist eingeladen, es wird eine offizielle Einweihung geben. Zudem werden weitere Werke von Bernhard Adams im nahegelegenen Herzogin-Adelheid-Stift zu sehen sein. Dort bekommt man auch noch mehr eine Idee davon, in welchem Zusammenhang die Arbeiten auf Leinwand zum Fenster von Bernhard Adams stehen. Ein schöner Bogen, der da gespannt wird. Knall Seemeyer: Ab dem 24. Juni 2022 beginnt zudem die zweiwöchige Versteigerung der drei NFTs auf der Plattform OpenSea. Polleit Riechert: Im Grunde genommen präsentieren wir mit Bernhard Adams Werk die verschiedenen Medien: digitale Kunst auf OpenSea, Malerei im Stift, die Einweihung des Kirchenfensters in der Kirche. So etwas ist noch nie vorgekommen. Es wird weltweit das erste NFT für ein Kirchenfenster sein.
von Jessica D.S. Seemeyer 14 Apr., 2022
Dr. Jessica D.S. Knall führte ein Interview mit den beiden Autoren Prof. Dr. Pierre L. Ibisch und Jörg Sommer zu deren Buch "Das Ökohumanistische Manifest". Erschienen und nachlesbar ist das Interview in der "Landzeit" (2.2021). Die "Landzeit" kann auf folgender Internetseite eingesehen werden: https://landpastoral.de/publikationen/archiv-die-landzeit Das Interview befindet sich auf den Seiten 32 und 33.
von Jessica D.S. Seemeyer 14 Apr., 2022
Eine neue Rezension von Dr. Jessica D.S. Knall Seemeyer zu dem von Johannes Ebert und Olaf Zimmermann herausgegebenen Werk "AKBP - Ein Rückblick" wurde auf der Website des Kulturmanagement Networks veröffentlicht und kann unter folgendem Link eingesehen werden: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Buchrezension-AKBP-ein-Rueckblick
von Jessica D.S. Seemeyer 04 März, 2022
In Mitteleuropa wird Antisemitismus im gesellschaftlichen Konsens abgelehnt und geächtet. Wie der Autor Kurt Oesterle aber detailliert in seinem Sammelband „Eine Stunde ein Jude - Geschichten gegen Antisemitismus“ herausarbeitet, ist Judenfeindlichkeit immer noch omnipräsent. Oesterle gelingt es mit seinem Ende 2021 erschienenen Werk, markante und anschauliche Beispiele zu finden, die unterschiedlichste Facetten der Judenfeindlichkeit aufzeigen. Sehr präzise ordnet er diese in den historischen Kontext ein und beschreibt ihre Wirkungsweise auf unsere Gesellschaft. Dabei regen die zusammengetragenen Geschichten nicht nur zum Nachdenken an, sie appellieren auch an das Gewissen der Leserschaft. In seinem Vorwort umreißt Oesterle die Intention dieses Buches: Judenfeindlichkeit darf nicht nur als ein Problem der Anderen betrachtet werden, sondern muss die Beschäftigung eines jeden mit dem Thema sein. Dabei konkretisiert der Autor, dass es nicht Anspruch sei, überzeugte Antisemiten umzuerziehen, sondern mit den ausgewählten Beiträgen Menschen, die sich der Auswirkungen ihres Gesagten nicht bewusst sind, zu erreichen, Hilfestellungen zu geben, um Vorurteile zu überwinden und die Tragkraft antisemitischen Verhaltens zu verstehen. Netz der Judenfeindlichkeit durch alle Zeiten und Gesellschaften Die Autoren der gesammelten Texte sind nicht-jüdisch und greifen Aspekte antijüdischer Ressentiments auf. Ihre Beiträge und Geschichten stammen aus unterschiedlichen Jahrzehnten, allesamt vor dem Zweiten Weltkrieg, und beschreiben unterschiedliche kulturelle Umstände: Von der Adelsfamilie in Deutschland bis zu den Immigranten aus der Wüste des Nahen Ostens. Erfahrungsberichte, Romane, Gleichnisse aber auch Theaterskripte werden bunt nebeneinandergestellt. Sie alle weisen denselben Kern auf – den Antisemitismus. Dabei schält sich heraus, wie allgegenwärtig Judenfeindlichkeit in den verschiedensten Ländern und Regionen der Welt von der Vergangenheit bis zur Gegenwart noch immer ist. Was in dem Sammelband fehlt, sind Berichte aus der NS-Zeit. Somit muss der Bogen der Judenfeindlichkeit vom „Damals“ zum „Jetzt“ als nicht vollständig angesehen werden. Abrunden würde die zusätzliche Ergänzung von Berichten aus der heutigen Zeit. Der noch bestehende, offen oder versteckt gelebte, Antisemitismus könnte auch noch verdeutlicht und dem/r Leser*in erfahrbar werden. Bei der Kontextualisierung der Beiträge schweift das Buch teilweise zu weit ab. Kurt Oesterle äußert sich zu jedem Beitrag hinsichtlich Vorgehensweise und Schreibstil der/s Verfasser*in, auch Gesellschaftskritik baut er ein. Die Kontextualisierung inklusive Nachforschungen und weiterer Erläuterung nehmen einen deutlich umfangreicheren Raum ein als die Beiträge selber. Oesterle stützt sich dabei nicht nur auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, sondern stellt auch eigene Vermutungen auf. Der Leserschaft wird folglich kaum Raum zur eigenen Urteilsfindung gegeben. Durch die vielen zusätzlichen Informationen haben Leser*innen jedoch die Möglichkeit, eine neue Perspektive einnehmen zu können und die eigene Perspektive zu justieren. Ein zentraler Appel des Buches geht darüber hinaus an die Wissenschaft, sie forsche nicht umfassend genug zu diesem Thema und solle dieses Buch als Ansporn für weitere Untersuchungen nutzen. Denn die Dringlichkeit der Beschäftigung mit diesem Thema könne aktuell gar nicht größer sein, so der Autor Oesterle. Fazit Antisemitismus ist immer noch eine große Problematik unserer Weltgesellschaft. Umso bedeutender ist daher die Botschaft vom Buch „Eine Stunde ein Jude“, das uns die Ungerechtigkeit und den Hass vor Augen führt, mit denen Juden seit jeher bis heute konfrontiert werden. Kurt Oesterle schafft es, Wissen mit unterhaltenden Geschichten zu verbinden, eine Kombination, die das Buch sowohl spannend als auch lehrreich werden lässt. Der Autor schreibt in einem gut verständlichen Stil und vermerkt viele Begriffe, die im Allgemeinen vielleicht nicht von jedem verstanden werden, in den Fußnoten. So können auch Laien das Buch begreifen. Jedoch fehlen aktuelle Beiträge zur Judenfeindlichkeit, die den Veränderungsprozess des Antisemitismus bis in die heutige Zeit darlegen könnten. Dr. Jessica D.S. Knall & Mona-Lou Henschel Kommunikation für Werte & Gesellschaft
von Jessica D.S. Seemeyer 03 März, 2022
Mit seinem im Hirzel-Verlag erschienenen Buch „Beim nächsten Wald wird alles anders“ schafft der internationale Waldexperte Hans Jürgen Böhmer einen Überblick zum aktuellen Stand des Waldsterbephänomens und wie dieses vom Klimawandel beeinflusst wird. Dabei sammelt er Forschungsergebnisse, um die höchst komplexen Zusammenhänge in der Natur zu erklären und eine Prognose für die Wälder Deutschlands, aber ebenso für den globalen Kontext, zu stellen. Im Endergebnis steht ein Aufruf zum Handeln, damit das Waldsterben nicht weiter voranschreitet. Mehr als nur „Waldsterben“ Das Buch ist in fünf Hauptthemen gegliedert, die jeweils auf verschiedene Problematiken des Ökosystems eingehen. So beleuchtet der Autor nacheinander das vergangene Waldsterben in den 80ern, den Einfluss des Klimawandels auf die Wälder unserer Erde (darunter vor allem die Gefahr, die von der menschengemachten Invasion fremder Pflanzenarten und eingeschleppter Tieren ausgeht), das gesellschaftliche ökologische Bewusstsein, die seiner Meinung nach zur Übertreibung neigende Medienlandschaft, die Entfremdung der Waldforschung und schließlich den Wandel innerhalb der Forschung zu dem Thema. Zunächst veranschaulicht der Autor die Problematik mit früheren Fallbeispielen in Deutschland, aber auch auf Hawaii oder in Australien. So kann der Waldexperte darstellen, wie sich der Einfluss des Klimas und des Menschen auf die Wälder an unterschiedlichen Orten äußert. Auf Hawaii war das Aussterben der „Ohio-Bäume“ zum Beispiel keine direkte Folge des Klimawandels sondern der Invasionen von anderen Baum- und Tierarten, die ihrerseits durch Klimaveränderungen ihre ehemaligen Gewohnheiten abgelegt haben und nun das Wachstum anderer Baumarten fördern. Doch natürlich zeigen uns Dürreperioden und damit verbundene Waldbrände z.B. in Australien, dass der Klimawandel sich auch direkt sehr grausam für den Wald auswirken kann. Bedeutung des kollektiven Bewusstseins Inhalt ist nicht nur das Waldsterben an sich, sondern auch der stark kritisierte Mangel am erfolgreichen Aufhalten des Waldsterbens seitens der Gesellschaft. Die Verbindung zwischen führenden Werteprinzipien der Menschen und dem Sterben des Waldes zieht sich dabei wie ein roter Faden durch das Buch. Der Art der Berichterstattung kommt nach Meinung des Autors eine bedeutsame Rolle für den gesellschaftlichen Umgang mit dem Waldsterbephänomen zu: Beispielsweise wurde in den 80er Jahren in Deutschland stark gegenüber dem Waldsterben sensibilisiert, weshalb der Gesundheit des Waldes in Deutschland nun ein ganz anderer Stellenwert zukommt als beispielsweise auf den Fidschis. Auch gibt es weltweit gesehen eine sehr ungleiche Verteilung von Waldexperten. Der Autor möchte mit dem Buch vergessene Forschungsergebnisse den heutigen Wissenschaftler*innen in Erinnerung rufen. Geäußert wird die Besorgnis zur Entfremdung der Forschung von der Realität, die sich durch den vermehrten Einsatz von errechneten Ferndiagnosen statt Vor-Ort-Erhebungen widerspiegelt, eine gefährliche Folge des heutigen omnipräsenten Zeitdrucks. Das populärwissenschaftlich geschriebene Buch leitet immer wieder zu anschaulichen Beispielen und persönlichen Erfahrungssituationen über, um die Thematik für die Lesenden greifbarer werden zu lassen. Schließlich zieht der internationale Waldexperte aktuelle Fallstudien heran, um komplexe Zusammenhänge zu erläutern. Die Darstellung wird zuweilen eintönig, Ursache dafür sind Ausschweifungen und große Mengen an Daten und Faktenaufzählungen. Appell an die Leserschaft Der Handlungsbedarf in den Wäldern ist dringlich, der Klimawandel zieht katastrophale Konsequenzen mit sich, ein Waldkollaps kündigt sich an. Zu diesem Schluss kommt die populärwissenschaftliche Abhandlung "Beim nächsten Wald wird alles anders", was sich im zynischen Buchtitel widerspiegelt. Der aktuell stark vorangeschrittene Prozess des Waldsterbens ist ein erstes ​Symptom des ebenso vorangeschrittenen Klimawandels, weitere Prozesse wie das Schmelzen der Pole oder vermehrte Aussterben von Arten werden folgen. Gefordert wird daher die Modernisierung der Waldforschung mit mehr Zeit für detaillierte und fundierte Forschungsprojekte. Außerdem wird die Leserschaft direkt zu nachhaltigerem Handeln und weniger Konsum aufgefordert. Böhmer schlägt damit den Bogen von der Gefährdung der Ökosysteme zu der eigenen Verantwortung jedes Individuums. Es gelingt ihm dadurch, die Relevanz des Themas zu verdeutlichen. Fazit Hans Jürgen Böhmer wird seinem Anspruch gerecht, einen Überblick über den Zustand der Wälder im globalen Kontext zu schaffen und die Wichtigkeit eines diesbezüglichen kollektiven Bewusstseins zu herauszuschälen. Teilweise vermittelt er jedoch den Eindruck, „von oben herab zu richten" mit zu wenig Blick darauf, dass es oft im Nachhinein einfacher ist, vergangene Zustände in ihrer Bedeutsamkeit einzuordnen und zu erforschen. Im Endergebnis ist festzustellen, dass es sich bei dem Buch „Beim nächsten Wald wird alles anders“ um eine gute Mischung aus ökologischem Fachwissen und kritischer Prognose einer heutigen globalen Waldzustandsanalyse handelt, die das Buch sowohl für Leser*innen vom Fach, aber auch für Laien zugänglich macht. Die skizzierte langfristige Perspektive ist wenig optimistisch und lässt viele Fragen offen. Mona-Lou Henschel & Dr. Jessica D.S. Knall Seemeyer Kommunikation für Werte & Gesellschaft
von Jessica D.S. Seemeyer 20 Jan., 2022
Dr. Jessica D.S. Knall war als Keynote-Speakerin zur Verabschiedung der Absolvierenden am 26. November 2021 der Macromedia Hochschule Freiburg zu Gast. Aktuelle Themen wie Impfgerechtigkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Klimawandel und die Black Lives Matter Bewegung, aber besonders auch die Bedeutung der Kreativ- und Medienbranche für zukünftige gesellschaftliche Prozesse, waren Inhalt der Rede. Hier ist die Rezension zum Nachlesen veröffentlicht: Liebe Absolvierende der Macromedia Hochschule, sehr geehrte Damen und Herren, gerade Anfang der Woche hörte ich in der Tagesschau den Bericht des Internationalen Instituts für Demokratie, nach dem während der Pandemie in den Demokratien der Welt die Menschrechte zurückgedrängt worden sind: Corona ist auf dem Vormarsch, die Durchseuchung unserer Gesellschaft nicht mehr zu verhindern, die Einführung der Impfpflicht wird in Deutschland nun doch Gegenstand der Diskussion. In solchen Zeiten werden die drängenden Probleme des Klimawandels wieder ganz in den Hintergrund der Medienberichterstattung gerückt, zu präsent sind jetzt die aktuellen existenziellen Bedrohungen auf den Intensivstationen. Gestern lagen nun die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen auf dem Tisch, prompt geht es in den Medien wieder um den Klimawandel und den sozialen Umbau unserer Gesellschaft. Was für eine Zeit, in die Sie da hineingeboren worden sind! Was für eine Zeit, in der Sie Ihr Studium abschließen und tätig in die Welt hinausgehen wollen! Da wird sicher der oder die Eine von Ihnen entmutigt und/oder ratlos zurückgelassen werden. Wie soll man da noch kreativ sein können? Etwas aufbauen können? Sein Eigenes finden können? Bei dieser Flut an Problemen und Herausforderungen, wie soll man da noch im Medienmanagement die richtige Wahl im Tonfall der Kommunikation finden können, um aufzuklären ohne zu entmutigen, um zu informieren ohne zu überfordern? Als Prof. Scherzinger und Prof. Ganal mich anfragten - denen ich an dieser Stelle dafür ganz herzlich danken möchte - ob ich Ihnen, liebe Absolvierende, mit einem Statement etwas zu Ihrem Abschluss mit auf den Weg geben könnte, freute ich mich sehr – und war im gleichen Moment mit Demut erfüllt, weil ich wusste: Das ist kein 0815-Abschluss. Hier werden Studierende zu verabschieden sein, die jetzt schon unter extrem herausfordernden Bedingungen studieren mussten und nun in eine Welt hinausgehen, deren Themen uns alle schier zu erdrücken scheinen. Und mir überantwortet man die große Aufgabe, in dieser Situation Hoffnung zu vermitteln. Wir stecken inmitten einer hochkomplexen globalen Krise nicht nur der Pandemie, sondern auch des Klimawandels, von der wir alle betroffen sind - auch in den Wohlstandsländern. In der Ökologie würde man sagen, es kündigt sich der Kollaps an. Und, meine Damen und Herren, die Last fühlt sich schwer an. Beide Krisen stehen im Zusammenhang miteinander. Bei der Bewältigung des Klimawandels geht es auch nicht darum, die Natur zu erhalten – denn die wird überleben, so viel weiß die Wissenschaft -, es geht genauso darum, uns selbst zu erhalten, die Menschheit zu erhalten! Wie also – gerade für die junge Generation – hier den Optimismus bewahren? Als ich mich zuhause bei der Vorbereitung dieser Rede damit beschäftigte, half es mir, zwei Schritte zurückzutreten und mit Abstand zu überlegen, was denn schon gut läuft, was denn schon erreicht wurde. Und jetzt, liebe Absolvierende, lassen Sie mich verneigen vor dieser - Ihrer - Generation: Denn was Ihre Generation an politischem Bewusstsein, an Rebellion, an Handlungsfähigkeit, an lautstarken Stimmen bis in die UN hinein jetzt schon hervorbringt, das ist auch eine Revolution! Die letzten Jahrzehnte haben wir darüber gejammert, dass die junge Generation gar nicht mehr politisch sei und gar nicht mehr auf die Straße geht. Und nun steht Ihre Generation da und geht auf die Straße, nicht nur hier, nicht nur in einem Land, nicht nur in den Wohlstandsgesellschaften. Nein, Sie nutzen die heutigen Möglichkeiten der Digitalisierung und der IT, um sich weltweit zu vernetzen. Überall stehen ganz junge Menschen auf, gründen Organisationen und Bewegungen mit großem Zulauf, arbeiten sich hoch bis in die Entscheidungsgremien, kommen in die großen Zeitungen und Nachrichtensender … Und Sie haben es geschafft, nicht nur eine Rebellion gegenüber der älteren Generation durchzuführen, wie es beispielweise bei der 68ern war: Sie haben es geschafft, Ihre Eltern- und Großelterngeneration mit zu aktivieren! Die Generation, die Sie auch anklagen! Im Schulterschluss! Und zwar im globalen Schulterschluss. Ich kann mich nicht erinnern, dass es so etwas jemals in der Historie gab: Eine Bewegung, die so aktiv, weltweit vernetzt, zielorientiert und so fokussiert anklagt, im großen Stil gesellschaftliche Umwälzungen vieler Facetten einfordert, die Generationen, die sie anklagt, mit auf ihre Seite bekommt – und die ganz jungen Menschen in oberste Positionen hievt. Das erinnert mich an die aus Uganda stammende Vanessa Nakate, Fridays for Future-Aktivistin, gerade 25 Jahre alt, mit der ich zusammen im September eine internationale Pressekonferenz für die weltweite Organisation Religions for Peace im Auftrag der Stiftung Friedensdialog vorbereitete und in Lindau abhielt: Vanessa Nakate hielt eine großartige Ansprache mit dementsprechender Medienresonanz. Sie ist UN-Leader für die globale Fridays-for-Future-Bewegung, die im Schulterschluss mit Greta Thunberg die Klima-Bewegung auch kontinentübergreifend voranbringt. Kürzlich war sie auf dem Cover des Times Magazine. Während Greta Thunberg eine riesige Masse von Menschen aktiviert hat, hat Vanessa Nakate das afrikanische „Rise up Movement“ mitgegründet und ist bis zu den Vereinten Nationen mit ihrer Stimme vorgedrungen. Sie ließ in der internationalen Pressekonferenz die Welt wissen: In Afrika bekommen die Menschen massiv die Klimawandel-Auswirkungen zu spüren und gleichzeitig sind die afrikanischen Staaten diejenigen, die weniger als 4 Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen beitragen. Und vergessen wir nicht, dass in Afrika gerade mal knapp 6 Prozent der Bevölkerung geimpft sind! Nicht, weil diese sich nicht impfen lassen wollen, sondern weil sie keinen Zugang zu Impfstoffen bekommen. Die Verteilungsungerechtigkeit gibt es auch hier. Wir sind wirtschaftlich gesehen in einer privilegierten Situation, daran hat sich noch immer nichts geändert. Das privilegiert uns aber auch, am ehesten handlungsfähig zu sein. Und genau da kommen Sie, liebe Absolvierende, ins Spiel: Sie brechen mit der Bewegung Ihrer Generation gerade einen Rekord nach dem anderen! Seien Sie sich dessen bewusst, welche Kraft und Power das hat. Warum sollte das keine Chance haben, gut auszugehen? Einer vielschichten globalen Herausforderung wird mit einer vielschichtigen globalen Protestbewegung begegnet. Das, was man jetzt noch im Schulterschluss mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft schaffen muss, ist, aus der Protestbewegung, eine Reformbewegung zu formen. Und da sind wir an dem Punkt, wo es Sie braucht, liebe Absolvierende, jede und jeden Einzelnen von Ihnen, in der späteren Berufstätigkeit als auch im Privaten, denn nach wie vor gehen die Menschen – auch die junge Generation – zu wenig in die Veränderung rein. Manchmal denke ich an das Buch der „Parallelgeschichten“ von Péter Nádas, an Filme wie „Matrix“ und „Zurück in die Zukunft“ und andere Geschichten, Musikstücke, in denen Zeitsprünge und Parallelwelten zum Thema gemacht werden. Assoziieren Sie einmal: die indigenen Gesellschaften in Südamerika, die Nomaden der Sahel-Zone in Nord-Afrika, die religiös Orthodoxen … und als Gegenpol die stark atheistischen und westlichen Gesellschaften. Und dann wiederum leben manche Gesellschaften völlig futuristisch, in Dubai oder Katar zum Beispiel: Völlig unterschiedliche Kulturen, die alle aber über ein Handy oder einen Fernseher voneinander wissen, über Social Media regelmäßig voneinander etwas erfahren und über Wirtschafts-, aber auch Klimakreisläufe miteinander verbunden sind. Jetzt ist es unser aller Aufgabe, diese verschiedenen Gesellschaften in Harmonie zu bringen und zu koordinieren, damit wir in der Lange sind, Probleme gemeinsam zu lösen. Jede dieser Gesellschaften wird ihr ganz eigenes Wissen einbringen können und müssen, damit die gefundenen Lösungen für alle tragbar sind. Da kommt eine riesige Koordinationsaufgabe nicht nur auf die Politik, sondern auch im Medienmanagement auf uns zu. Sie haben in der Kreativbranche, in den Medien, aber auch im Foodmanagement die Möglichkeit, mit Konzerten, Filmen, Reportagen, Musik, Kunst, Kultur oder Kulinarik die Menschen in ihrem tiefsten Innersten zu berühren, emotional zu berühren. Sie haben die Möglichkeit, Dinge mit Emotionen so zu verknüpfen, dass sie ganz tief im Menschen ankommen. Das ist sehr wertvoll, denn nur dann, wenn Menschen emotional berührt werden, kann man auch etwas verändern. Sie haben die Möglichkeit, neue Visionen mit Bildern, Tönen, Farben, Formen und Effekten zu versehen und damit zu inspirieren, wohin wir als Gesellschaft steuern könnten. Sie haben die Möglichkeit, Menschen, die von diesen Krisen betroffen sind, zu trösten, aufzufangen, Halt zu geben. – Und das ist unglaublich wertvoll, denn die psychotherapeutischen Einrichtungen sind längst überlastet, kommen längst nicht mehr der Nachfrage nach - ganze Generationen werden gerade von der Schwere der Pandemie erfasst. Gerade erst letzte Woche sagte mir ein befreundetes Psychotherapeutenpaar den Urlaub ab – sie leiten beide jeweils psychotherapeutische Einrichtungen und ertrinken in Arbeit und Anfragen … kein Urlaub mehr möglich. Nutzen Sie die Ratlosigkeit der Zeit, um ganz neue Wege von Kooperationen auszuprobieren und vollkommen verrückt erscheinende Lösungen anzubieten: - Was gestern undenkbar erschien, kann morgen schon selbstverständliche Alltagsrealität sein. - Es gibt stets Lösungen, wenn alle genügend veränderungsbereit sind. - An Geld mangelt es in unserer Gesellschaft nicht, spätestens über Kooperationspartner sollte es Möglichkeiten geben, Gelder für Ihre Projekte zu akquirieren. - Und Vielfalt will gelebt und geführt werden. - Es wird gute Medienmanager und IT-Profis brauchen, um komplexe Vorgänge der Kommunikation zu koordinieren. - Es wird Wegweiser für ökologisch-nachhaltige Ernährungskulturen brauchen. - Und Sie sollten auch das Erfahrungswissen der Älteren nutzen, um Ihre neuen Ideen gut auf den Weg zu bringen. In solch einer Umbruchsphase braucht es vor allem die kreativen Köpfe und eine sehr gut überlegte mit Feingefühl versehene Kommunikation - mehr denn je. Ich danke Ihnen nun für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen von Herzen alles Gute auf Ihrem weiteren Weg! Seien Sie voller Ideen und erlauben Sie sich, etwas zu tun, was bisher undenkbar war. Dr. Jessica D.S. Knall Kommunikationsbüro für Werte & Gesellschaft
von Jessica D.S. Seemeyer 13 Jan., 2022
Eine Rezension zu dem Buch "Überflieger. Die vier Leben der Schmetterlinge", welches mit Fotografien von Ingo Arndt und Texten von Veronika Straaß und Claus-Peter Lieckfeld erschien. Rezension Die vier Leben der Schmetterlinge In einer Mischung aus Bildband und Sachbuch widmen sich Veronika Straaß und Claus-Peter Lieckfeld dem Leben der Schmetterlinge in allen vier Entwicklungsstadien zu Fotographien von Ingo Arndt. Das Buch feiert die Schönheit, Vielfalt und komplexe Evolution der Schmetterlinge, um so ein Bewusstsein für die Konsequenzen des Artensterbens zu schaffen. In „Die vier Leben der Schmetterlinge“ fassen die Autoren eine Erfolgsgeschichte der Evolution eingänglich zusammen. Gerichtet ist das Buch an Naturfreunde mit nicht nur ästhetischem, sondern auch wissenschaftlichem Interesse an den Lepidoptera, den Schmetterlingen. Das Buch bildet ein Kompendium aus den meisten anderen Genres, die bislang über Schmetterlinge berichtet haben. Durch die großformatigen Bilder wird es zum Bildband, mit den wissenschaftlichen Texten zum Naturführer, oder Sachbuch, das durchaus auch Abstracts wissenschaftlicher Studien beinhalten könnte. Obwohl die Texte sehr aussagekräftig sind, scheinen sie im Aufbau eher die eindrucksvollen Makrofotografien und Naturaufnahmen zu begleiten als umgekehrt. Während sich sowohl Naturführer und Sachbücher als auch Bildbände in ihrer Gesamtheit vor allem mit der Imago, dem letzten, adulten Stadium der Falter, beschäftigen, formulieren die Autoren hier den Anspruch, die Metamorphose der Schmetterlinge in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Vollständig gerecht wird es diesem jedoch nicht. Vor allem in den Bildern überwiegt der Anteil der vollausgebildeten Schmetterlinge gegenüber den anderen Entwicklungsstadien. Der Lebenszyklus der Schmetterlinge über Ei, Raupe und Puppe bis zum fertigen Falter ist dennoch ausführlich und eindrücklich bebildert und beschrieben. Der Fokus liegt dabei sowohl auf den grundsätzlichen Überlebensmechanismen der Lepidoptera, wie sie wissenschaftlich genannt werden, als auch den vielfältigen Strategien der einzelnen Arten. Das Buch macht dadurch vor allem die Differenziertheit innerhalb der Falterfamilie sehr deutlich und lässt anklingen, dass jedes einzelne Mitglied schützenswert sei, wodurch sich die Wertschätzung für die Gattung gut auf die Lesenden überträgt. Die bereits angesprochenen Naturfotografien dienen dem Zweck, auf die Bedrohung der Lebensräume hinzuweisen. Dies schwächt den harten Übergang zum Artensterben etwas ab. Im Weiteren arbeiten die Autoren vor allem die Evolutionsgeschichte der Schmetterlinge heraus. Dies geschieht auf unterhaltsame und anekdotische Art, welche ein leichtes Leseerlebnis bietet. Etwas zu kurz kommt jedoch die Frage, welche Techniken der Zukunft sich von den Faltern ableiten lassen könnten. Mehr als ein kurzer Satz zu diesem weiterführenden Thema wäre jedoch wünschenswert gewesen. In einem eigenen Kapitel geht das Buch auf die Bedrohung der Schmetterlinge durch menschengemachte Entwicklungen ein. Dennoch ist dies nicht ausreichend, um dem Problem gerecht zu werden. Die Vielfältigkeit des Buches könnte auch problematisch gesehen werden, in der Hinsicht, dass es sehr viele Themenbereiche im Umfeld der Schmetterlinge anspricht, es dabei aber unmöglich ist, allen vollständig gerecht zu werden. Dies führt dazu, dass es versierten Naturfreunden, an die sich das Buch eingangs richtete, wenig Neues vermitteln wird. Auch der Verweis auf weiterführende Literatur kann diesen Mangel nicht ausgleichen. Fazit: „Die vier Leben der Schmetterlinge“ ist ein wortgewandter und bildreicher Spaziergang durch die Welt der Schmetterlinge in all ihrer Brillanz und Endzeitlichkeit, dem durch dieses Vorgehen an manchen Stellen der Tiefgang fehlt. Der Neuwertigkeitsaspekt bleibt zurück. Stattdessen besteht der Beitrag dieses Werkes darin, die Biologie der Schmetterlinge und neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zu ihrer Lebensweise in einer leicht lesbaren und von Bildern aufgelockerten Art zu präsentieren. Viele Fragen über das Dasein der Lepidoptera bleiben offen, doch ist es auch nicht der Anspruch dieses Buches, sie alle zu beantworten. Es forscht nicht, es sammelt – und untermauert die Informationen doch stets mit wissenschaftlichen Ergebnissen der letzten Dekade. Isabella Wenzl Kommunikation für Werte & Gesellschaft
von Jessica D.S. Seemeyer 29 Okt., 2021
Das Werk "Po Molly" von Ernst Fuchs wurde vorbereitet zwecks Versteigerung im Auktionshaus Plückbaum in Bonn.
von Jessica D.S. Seemeyer 21 Okt., 2021
Dr. Jessica D.S. Seemeyer verfasste eine Rezension zu Johanna Haberers Werk "Die Seele: Versuch einer Reanimation". Rezension Die Seele: Versuch einer Reanimation Johanna Haberers kurzweiliges Buch "Die Seele: Versuch einer Reanimation" ist ein schnell zu lesendes kleines Buch, welches sich mit den verschiedenen Perspektiven zur Definition der Seele auseinandersetzt. Die Autorin stellt fest, dass der Ursprung des heute naturwissenschaftlichen Denkens zu einer „seelenlosen inneren Verarmung der Gesellschaft führt“, daher plädiert sie für das Verstehen der Seele in einem weiteren Umfang. In ihrem Buch lässt sie verschiedene Perspektiven fast schon in einem Rundumschlag zu Wort kommen: Religion, Atheismus, Naturwissenschaften inklusive Mathematik, Philosophie, Dichter und Denker, aber auch Architektur: Letztlich geht es immer um die Vergänglichkeit des Menschen und die Definition der Seele, die diese Vergänglichkeit zum Ausdruck bringt. Haberer erklärt, dass es bei der Seele um das Wesentliche geht, um das, was nicht sichtbar aber doch für die meisten spürbar ist. Immer wieder zitiert sie gut ausgewählte Zitate bedeutender Denker als Auflockerung und Konkretisierung. Sie schlägt den Bogen über den Algorithmus hin zur Digitalisierung und fragt nach der Veränderung der Seele der Gesellschaften im Sinne des Dataismus. Warnungen zeitgenössischer aktueller Literatur, wie etwa Yuval Noah Hararis "21 Lektionen für das 21. Jahrhundert", führt sie an. Selbst filmschaffende Produzenten und Regisseure und deren Perspektive zur Seele werden miteinbezogen, so zum Beispiel der Film "Soul". Die Autorin leitet schließlich über zur Idee der Seele, die den Menschen mit dem Tier und auch den Menschen mit der Natur verbindet. Sie bedient sich hierfür verschiedenster Ansätze, die von Wissenschaft, kreativ schaffenden Dichtern und Schriftstellern, Theologen und Philosophen kommen, und bindet all diese Perspektiven mit in ihre Gedanken ein. Immer wieder bringt die Theologin Bibelzitate, vor allem, weil sie der Meinung ist, dass das Leben tiefer betrachtet werden solle, als es beispielsweise in den naturwissenschaftlichen Denkansätzen üblich sei, so dass bei einer tieferen Betrachtung des Lebens auch die Verbundenheit der Seele mit Gott und mit der Welt betrachtet werden müsse. Über die christliche Perspektive und die Bibelzitate schlägt Johanna Haberer den Bogen hin zur Musik, beispielsweise zu christlichen Chorälen und Liturgie, stellt Bezüge zu den Liedtexten Paul Gerhardts her und lässt auch die zentralen Bachkantaten mit einfließen, genauso namhafte Theologen wie Rahner oder Jung. Ihr Fazit schließt sie mit ihrer ganz persönlichen Interpretation des Begriffs der „Seele“: ein Phänomen, welches für die Liebe Gottes zum Menschen steht und somit als Symbol für die allumfassende Welt verstanden werden kann. Dr. Jessica D.S. Seemeyer Kommunikation für Werte & Gesellschaft
von Jessica D.S. Seemeyer 18 Okt., 2021
Zum 200. Geburtstag der zwei Forscher Rudolf Virchow und Hermann von Helmholtz legen die beiden Professoren Ernst Peter Fischer und Detlev Ganten eine historische Studie des Konzeptes der Gesundheit vor. "Die Idee des Humanen" erzählt die spannende und vielfältige Geschichte der Medizin in einer diachronen Untersuchung des Wortes Gesundheit. In dem Buch fordern die Autoren eine Versöhnung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften, aber auch zwischen Politik, Wirtschaft, Umwelt und Wissenschaft, um gemeinschaftlich eine gesunde Gesellschaft aufbauen zu können. Nach dem Vorbild der Berliner Schule der Medizin skizziert das Buch eine mögliche zukünftige Gesellschaft der Gesundheit sowie deren Realisierungsstrategie . Der Gesundheitsbegriff im Verlauf der Historie Historisch verknüpften Menschen ihr Wissen in Philosophie, Religion, Wissenschaft und Kultur miteinander, es wurde nicht separat erfasst oder betrachtet: Ein realer Spiegel des Lebens. Fischer und Ganten setzen Bezüge zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos: Schon im Mittelalter wurde der menschliche Körper als Spiegelbild des Kosmos bezeichnet. Heutzutage spricht man von der Homöostase, die im Organismus herrscht, also “dem Gleichgewicht der Körperfunktionen, die im Rahmen eines offenen dynamischen Systems verstanden werden”. Die aktuelle Sichtweise des menschlichen Körpers wird als verwobenes Netzwerk beschrieben, in dem viele Bakterien und Mikroben ein harmonisches Leben miteinander führen. Damit zieht sich ein roter Faden vom Ansatz, den Organismus als mechanischen Apparat zu verstehen, eine Maschine, die aus vielen kleineren Teilen besteht, bis hin zum hochdiversen Ökosystem, Mensch als ‘Holobiont’, in dem viele voneinander abhängige oder gar symbiontische Bakterien leben. Vision Virchow 2.0: Eine wissenschaftlich begründete Gesellschaft Die Autoren skizzieren ihre Vision einer zukünftigen Gesellschaft, die sich von der Wissenschaft leiten lässt. Ihrer Meinung nach sollte das Muster der Dekonstruktion einer binären Weltanschauung das Denken der Zukunft prägen. Idealerweise entstände eine Gesellschaft, die nicht mehr aus Polaritäten und Komplementaritäten bestehe, wie zu Zeiten der Romantik, sondern stattdessen in einem globalen und mittelpunktlosen Gleichgewicht stehe. Diese Gesellschaftsform führe schließlich die anthropozentrische Weltanschauung sowie eine Dualität zu einem Ende. Ein Fortschritt für die Menschlichkeit. Als Vorbild diene dabei die Berliner Schule der Medizin: Gesundheitsstadt Berlin 2030 mit der Charité Universitätsmedizin als Herzstück, in der Politik, Wirtschaft und Kultur zusammenstehen, um die Gesundheit der Menschen zu verbessern. Call-to-Action Im letzten Teil des Buches fordern die Autoren einen globalen Call-to-Action, wie es bereits internationale Institutionen schon praktizieren würden, um diese bessere Welt zu erzielen. Genannte Beispiele: Die United Nations hätten sich zum Ziel gesetzt, dass statt Armut und Hunger Frieden und Gerechtigkeit herrschen sollen. Nur einige der 17 Nachhaltigkeitsziele/ Sustainable Development Goals (SDG) der UN, die bis 2030 erreicht werden sollen. Auch erinnern die beiden Professoren an internationale Strategien wie den World Health Summit (WHS), der sich einen holistischen Gesundheitsansatz zu eigen macht, sowie an die M8 Allianz, die sich global das Fördern gesünderer Gesellschaften zum Ziel setzte . Globale Umweltverantwortung spiele ebenso eine wichtige Rolle, hier stellten sich zudem ethische und menschenrechtsbezogene Fragen. V or allem von Seiten der Politik wird mehr Engagement und Interesse für die Umwelt verlangt. Fortlaufende Bildung stelle einen wichtigen Teil der zukünftigen Gesellschaft dar, auch schon im Konzept von Virchow und Helmholtz. Fischer und Ganten fordern zudem die Veränderung der medizinischen konservativen Perspektive hin zur Leitfunktion der Prävention als wichtigsten, führenden Ansatz der Medizin, damit mehr Kontrolle über Krankheiten erfolgen kann. Fazit Das Buch von Ernst Peter Fischer und Detlev Ganten ist erfrischend und lehrend. Dessen optimistische Perspektive bietet Hoffnung für die Zukunft. Philosophische, historische und didaktische Ausführungen sind dabei inspirierend. Was man dem Buch vorhalten kann, ist der Mangel an Ausführungen zur Psychologie. Das Buch versteht einen gesunden Organismus vorwiegend als körperlich gesunden Organismus. Erkrankungen der Seele werden nur ansatzweise betrachtet. Trotzdem sorgt diese vielfältige Abhandlung mit seiner Mischung von diversen Forschungsbereichen für frischen Wind . Es ist eine Erinnerung an die Bedeutsamkeit der holistischen Betrachtung des Menschen und seiner Gesundheit , ein Appell an die Humanität, die heutzutage oft mit Einzelzahlen oder materieller Ausrichtung in den Hintergrund gerät. Marine Quesnel & Dr. Jessica D.S. Knall Seemeyer Kommunikation für Werte & Gesellschaft
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